Wie Magdeburgs Spannbetonbrücken zur Sicherheitsfrage werden..

..und warum ingenieurtechnische Nachrechnungen jetzt besonders wichtig werden

 

Bauwerke, die einst als Meilensteine moderner Ingenieurskunst galten, offenbaren nach Jahrzehnten gravierende Schwächen – mit teils dramatischen Folgen für den Verkehr und die Sicherheit. Die Ursache ist keine kurzfristige Fehlplanung, sondern ein tiefergehendes Problem: In den 1960er- und 70er-Jahren galt Spannbeton als zukunftsweisender Baustoff – wirtschaftlich, tragfähig, belastbar. Was damals als ingenieurtechnischer Fortschritt gefeiert wurde, entwickelt sich heute zu einem kaum kalkulierbaren Risiko für Städte und Kommunen. Auch die Landeshauptstadt Magdeburg bleibt davon nicht verschont. Seit April 2025 ist etwa die Brücke am Damaschkeplatz voll gesperrt. Wieder einmal staut sich der städtische Verkehr und wieder einmal trifft die Stadt eine infrastrukturelle Altlast.

 

Die unsichtbare Gefahr im Inneren:

Korrosionsprozesse im Spannbeton

Viele Brückenbauwerke des heutigen Verkehrsnetzes wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren errichtet – unter Rahmenbedingungen, die sich deutlich von heutigen Standards unterschieden. Damals standen weder durchgängig standardisierte Prüfverfahren noch dauerhafte Materialqualitäten in der heutigen Form zur Verfügung.
Spannbeton bot in dieser Situation eine effiziente Möglichkeit, große Spannweiten mit vergleichsweise geringem Materialeinsatz zu realisieren. Konstruktiv basiert der Spannbeton auf der Einleitung einer Vorspannung über im Querschnitt liegende Spannglieder, die den Beton dauerhaft unter Druck halten. Diese Vorbeanspruchung verhindert Zugspannungen in kritischen Bereichen und ermöglicht somit rissarme, tragfähige Bauwerke – zumindest unter idealen Bedingungen.
Problematisch wird dieses Prinzip jedoch, wenn äußere Einwirkungen wie Feuchtigkeit oder Tausalze über Risse oder Fugen in den Beton eindringen. In solchen Fällen kann es zur Korrosion der Spannglieder kommen – ein Vorgang, der im Regelfall nicht sichtbar ist, jedoch die Tragfähigkeit des gesamten Bauwerks beeinträchtigen kann. Das besondere Risiko: Spannbetonbrücken versagen oft ohne Vorwarnung. Während andere Bauwerke durch sichtbare Risse oder Verformungen auf Schäden aufmerksam machen, bleiben Spannbetonbrücken lange scheinbar intakt. In ganz Deutschland kam es in den letzten Jahren zu gravierenden Zwischenfällen – mit dramatischen Folgen für Infrastruktur, Verkehr und Sicherheit.
Eine der kritischsten Schadensmechanismen bei Spannbetonbrücken ist die sogenannte Spannungsrisskorrosion (SpRK). Dabei handelt es sich um eine Form der Korrosion, die nur unter ganz bestimmten Bedingungen auftritt – aber dann besonders gefährlich ist. Sie entsteht, wenn ein hochfester Stahl über längere Zeit einer statischen Zugbeanspruchung ausgesetzt ist und gleichzeitig mit einem korrosiven Medium (etwa chloridhaltigem Wasser) in Kontakt kommt. Der Prozess verläuft meist unbemerkt im Inneren des Bauteils. Sichtbare Anzeichen wie Rost oder Betonabplatzungen fehlen häufig. Stattdessen führt die Schädigung schleichend zu einer Versprödung des Materials, die in einem plötzlichen, spröden Bruch enden kann. Besonders betroffen sind hochfeste Spannstähle mit Bruchfestigkeiten über 1.700 N/mm², wie sie auch in vielen Brücken der Nachkriegszeit zum Einsatz kamen. Selbst korrekt verbaute und verpresste Spannglieder sind nicht grundsätzlich vor diesem Mechanismus geschützt – insbesondere dann nicht, wenn bereits mikroskopisch kleine Vorschädigungen durch frühere Korrosionsvorgänge vorliegen.
Die Konsequenz: Schäden, die sich mit herkömmlichen Sichtprüfungen kaum erkennen lassen. Umso wichtiger ist eine fundierte ingenieurtechnische Bewertung, die den Zustand der Spannbewehrung und die potenzielle Gefährdung des Tragwerks nachvollziehbar beurteilt.

Auch die Ottostadt Magdeburg steht aktuell beispielhaft im Fokus dieser Entwicklung. Mehrere Brücken im Stadtgebiet weisen inzwischen teils erhebliche Schäden auf. Die wohl prominenteste: die Brücke am Damaschkeplatz. Eine Sonderprüfung im Frühjahr 2025 brachte Risse in den Spanngliedern, Drahtbrüche, Materialermüdung zutage. Die Stadt reagierte mit einer Vollsperrung – und weitere Untersuchungen laufen. Auch die Überführungen an der Brenneckestraße und Halberstädter Straße zeigen Auffälligkeiten. In Lüttgen-Salbke erhielt eine Brücke die schlechteste Zustandsnote, die in Deutschland vergeben werden kann: 4,0 – „nicht mehr tragfähig“. Teilweise wurden die Bauwerke bereits für den Fahrzeugverkehr gesperrt oder mit provisorischen Lastbeschränkungen versehen.

 

Zwischen Sofortmaßnahmen und Weitblick

Die große Frage: Wie tragfähig sind diese Brücken wirklich noch? Um bestehende Spannbetonbrücken sicher einschätzen zu können, sind Nachrechnungen erforderlich – statische Neubewertungen nach aktuellen Normen, die das reale Tragverhalten erfassen und Risiken quantifizieren. Als Ingenieurbüro mit Sitz in der Landehauptstadt Magdeburg begleiten wir genau diese Prozesse. Wir analysieren die vorhandene Bauwerksstruktur, bewerten Schadensbilder und berechnen mit modernsten Methoden die verbleibende Tragfähigkeit. Dabei fließen sowohl Bauzeitbesonderheiten als auch die spezifischen Eigenschaften historischer Spannstähle mit ein – eine anspruchsvolle, aber notwendige Aufgabe, wenn Sicherheit oberste Priorität hat.

Nachrechnungen dienen nicht nur der akuten Gefahrenabwehr, sondern auch der langfristigen Planung. In vielen Fällen ermöglichen sie eine fundierte Entscheidung zwischen drei Optionen:

  1. Freigabe unter Auflagen – wenn das Tragwerk noch ausreichende Sicherheitsreserven aufweist.
  2. Verstärkung des Bauwerks – etwa durch externe Spannglieder oder zusätzliche Stützkonstruktionen.
  3. Ersatzneubau – wenn keine tragfähige Zukunftsperspektive mehr besteht.

Unser Ziel ist es, Entscheidungsträgern belastbare Fakten an die Hand zu geben – technisch fundiert, verständlich aufbereitet und immer im Kontext der lokalen Gegebenheiten. Denn Magdeburg braucht keine Schnellschüsse, sondern ingenieurtechnischen Realismus.


Brücken in Bewegung:

Wir begleiten den Wandel

Städte wie Magdeburg sind gezwungen, sich mit ihrer baulichen Vergangenheit auseinanderzusetzen – und ihre Infrastruktur zukunftssicher zu machen. Als Ingenieurbüro vor Ort bringen wir das Wissen, die Werkzeuge und die Erfahrung mit, um diesen Prozess mitzugestalten. Für sichere Brücken. Und für eine Infrastruktur, die auch morgen hält.

Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Unterstützung bei der statischen Neubewertung, Nachrechnung oder Sanierungsplanung benötigen. Wir freuen uns auf den Austausch.

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