Mit einem großen Festakt wurde der neue Radweg zwischen Bismark und Kalbe (Milde) im Juni eröffnet. Ein Meilenstein für uns als Ingenieurgemeinschaft Gnade – nicht nur, weil wir als Teil der Bietergemeinschaft an der Planung und Umsetzung beteiligt waren, sondern auch, weil dieses Projekt zeigt, wie moderne Infrastruktur Menschen zusammenbringt.
Der 14,5 Kilometer lange Radweg verläuft auf der stillgelegten Trasse der Altmärkischen Kleinbahn. Über 100 Jahre lang verband sie Menschen, Güter und Orte – seit 2001 blieb die Strecke ungenutzt und wurde zunehmend von der Natur zurückerobert. Mit dem Auftrag im Juli 2022 durften wir als Bietergemeinschaft – bestehend aus der IG Gnade GmbH, der GBP Gesellschaft für Bauüberwachung und Planung sowie IWT Arthur Bräsel – die Leistungen der Objektplanung Verkehrsanlagen, der Objektplanung Ingenieurbauwerke, der Tragwerksplanung sowie zusätzliche besondere Leistungen für die neue Nutzung der Trasse als Radweg übernehmen.
Die Vision, diese stillgelegte Trasse zu einem interkommunalen Radweg auszubauen, verfolgte nicht nur das Ziel, die Mittelzentren Bismark und Kalbe (Milde) effizient zu verbinden, sondern bedeutete gleichzeitig einen wesentlichen Lückenschluss im Radverkehrsnetz Sachsen-Anhalts. Mit einer Förderung von insgesamt rund 6,6 Mio. Euro, davon 5,9 Mio. Euro Bundesmittel aus dem Sonderprogramm „Stadt und Land“, konnte dieses Vorhaben als größtes zusammenhängendes Radverkehrsprojekt Sachsen-Anhalts realisiert werden.
Planungsgrundsätze zwischen Nutzungskomfort und Bauwerksbeständigkeit
Bereits zu Projektbeginn war klar, dass ein reiner Oberflächenumbau nicht genügen würde. Vielmehr erforderte das Vorhaben eine differenzierte Herangehensweise an alle Tragschichten, Bauwerke und künftigen Nutzungseinwirkungen.
So galt es insbesondere, die fünf Brückenbauwerke entlang der Strecke neu zu errichten. Auch wenn intuitiv anzunehmen wäre, dass Brücken, die einst das Gewicht von Triebwagen und Güterzügen trugen, problemlos für Radverkehr genügen müssten, zeigte sich bei statisch-konstruktiver Analyse das Gegenteil: Die bestehenden Bauwerke wiesen teils substanzielle Schäden und unzureichende Tragreserven auf. Hinzu kam die Herausforderung eines heterogenen Baugrunds, geprägt von Gräben, Aufschüttungen und wenig tragfähigen Bodenschichten. Unsere Aufgabe bestand darin, Gründungs- und Tragwerkskonzepte zu entwickeln, die sowohl die geotechnischen Randbedingungen als auch die Anforderungen der Verkehrsbelastung und der minimalinvasiven Bauweise im sensiblen Landschaftsraum berücksichtigten.
In diesem Rahmen kam der konstruktiven und ingenieurtechnischen Neuordnung der insgesamt fünf Brückenbauwerke eine strategisch entscheidende Bedeutung zu. Unter Einbeziehung der Bestandsstrukturen, die durch jahrzehntelange Nichtnutzung in teils erheblichem Maße geschädigt waren, verfolgte die Ingenieurgemeinschaft Gnade GmbH als Teil der Bietergemeinschaft von Beginn an den Ansatz, für sämtliche Querungsbauwerke ein homogenes und wiederkehrendes Konstruktionsprinzip zu entwickeln, das nicht nur dem gestalterischen Anspruch einer durchgehenden Radwegtrasse gerecht wird, sondern zugleich einen hohen Grad an Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit sowie Wartungsfreundlichkeit gewährleistet.
Das Projekt im Detail
Dabei wurden alle Bauwerke – ungeachtet ihrer individuellen Längen, Gründungsverhältnisse und Überspannungsweiten – in Form einfeldriger Stahlbetonrahmen mit biegesteifem Anschluss an die Unterbauten ausgeführt. Diese Planungsentscheidung resultierte einerseits aus den heterogenen Bodenverhältnissen, die in weiten Abschnitten auf weiche, setzungsanfällige Torf- und Schluffschichten trafen und daher eine Tiefgründung auf verpressten Mikropfählen erforderte, andererseits aus dem Anspruch, die Bauzeiten zu minimieren und den Bauablauf unter Einhaltung der vorgegebenen Budgetrestriktionen störungsfrei zu realisieren. Die gewählte Systematik erlaubte es, durch den weitgehenden Verzicht auf Lager und Fahrbahnübergangskonstruktionen sowohl die Lebenszykluskosten als auch den Wartungsaufwand signifikant zu reduzieren, was insbesondere vor dem Hintergrund der begrenzten Unterhaltungsetats der Kommunen richtungsweisend ist.
Konstruktiv wurde dabei stets Wert auf eine maximale Standardisierung der Querschnitte, Fertigteilgrößen und Materialkonzepte gelegt, wodurch nicht nur statisch-konstruktive Effizienz, sondern auch eine gestalterische Kohärenz über die gesamte Strecke hinweg sichergestellt wurde. Die Kombination aus Fertigteilen und Ortbetonergänzungen ermöglichte eine hohe Baugeschwindigkeit bei gleichzeitiger Reduktion der Eingriffe in die empfindlichen Gründungsbereiche sowie eine deutliche Minimierung der erforderlichen Bauhilfsmaßnahmen wie Traggerüste oder Bauhilfsbrücken. In Summe zeigt sich hier exemplarisch, wie durch integrale Planungsansätze und eine vorausschauende konstruktive Konzeption Brückenbauwerke entstehen können, die dem Charakter eines modernen, nachhaltigen Radweges gerecht werden und zugleich den hohen technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen Anforderungen einer öffentlich geförderten Infrastrukturmaßnahme entsprechen.
Die Straßenentwurfsplanung des Radweges folgte einem integralen Ansatz, der den Bestand der ehemaligen Bahntrasse als strategische Ressource verstand und diesen mit den Anforderungen an einen modernen Radweg verband. Die ehemalige Trassenstrecke wurde in ihrer Linienführung weitgehend unverändert belassen und somit die vorhandene Dammlage sowie das gewachsene Gleisschotterplanum als tragfähige Untergrundbasis genutzt. Der Entwurf sah dabei einen Regelquerschnitt mit einer befestigten Radwegbreite von 2,50 Metern sowie beidseitigen Banketten von jeweils 0,50 Metern vor, wodurch eine Gesamtbreite von 3,50 Metern erzielt wird. Ergänzend wurde die Böschungsgestaltung mit einer Andeckung aus Oberboden und Rasenansaat als Versickerungsfläche ausgelegt, sodass der den Grundsätzen einer nachhaltigen, flächen- und ressourcenschonenden Straßenplanung entspricht. Besonderes Augenmerk lag auf der barrierearmen Längs- und Querneigung, wodurch der Radweg auch für Alltagsradverkehr mit E-Bikes sowie mobilitätseingeschränkte Nutzergruppen optimal nutzbar ist.
Auch die Materialwahl des Radwegoberbaus stand im Zentrum fundierter planerischer Abwägung. Während Asphaltbeläge im Radwegebau etabliert sind, bergen sie im ländlichen Raum mit hohem Baumbestand ein nicht zu vernachlässigendes Risiko: Wurzelaufbrüche führen mittel- bis langfristig zu teuren Sanierungszyklen und bergen Unfallgefahren. Die Entscheidung für Beton war daher nicht nur ingenieurtechnisch konsequent, sondern auch wirtschaftlich und ökologisch tragfähig. Beton bietet aufgrund seiner hohen Widerstandsfähigkeit gegenüber Durchwurzelung eine langfristige Betriebssicherheit, weist eine günstigere Nachtsichthelligkeit auf und heizt sich – nicht zuletzt dank seiner helleren Oberfläche – bei direkter Sonneneinstrahlung deutlich weniger auf als Asphalt.
Zusammen mit der Integration der fünf Ingenieurbauwerke ergibt sich ein Gesamtprojekt, das den Straßenentwurf nicht als reine Linien- oder Querschnittsplanung versteht, sondern als elementares Bindeglied zwischen Ingenieurbau, Verkehrswegebau und Landschaftsraumgestaltung.
Bildergalerie: Die Radweg Bismark - Kalbe
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Auch wenn die bauliche Umsetzung – von der Freilegung der Trasse über den Rückbau der Schienen bis hin zur Herstellung der Betonfahrbahn – in rund anderthalb Jahren abgeschlossen war, bleibt das Projekt in seiner Wirkung weit über den reinen Bauzeitraum hinaus bestehen. Der neue Radweg verbindet Menschen, schafft Alltagsrouten für Schülerinnen und Schüler sowie Pendlerinnen und Pendler und bietet zugleich Erholungssuchenden eine komfortable, sichere Infrastruktur.
Für uns als Ingenieurgemeinschaft Gnade war dieses Projekt ein Paradebeispiel dafür, wie differenzierte Planungsprozesse, interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein Verständnis für regionale Entwicklungsziele zu nachhaltigen, zukunftsfesten Lösungen führen können.
Wir sind überzeugt: Infrastruktur, die langfristig Bestand haben soll, muss über die reine Funktion hinaus gedacht werden. Sie muss den Raum prägen, Menschen verbinden und Umweltwirkungen minimieren.
Unser Dank gilt allen Projektbeteiligten und Fördermittelgebern für das Vertrauen in unsere Expertise.
Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Unterstützung bei der statischen Neubewertung, Nachrechnung oder Sanierungsplanung benötigen. Wir freuen uns auf den Austausch.
